Neue CO2-Richtlinie gefährdet Wirtschaft und Arbeitsplätze

29. Mai 2019
  • Nicht der Brexit oder drohende Autozölle, sondern die neue CO2-Richtlinie in der EU ist das grösste Problem für europäische Autobauer
  • Kein Autobauer erfüllt zurzeit die darin festgelegten Ziele– bei aktuellen Emissionswerten (2018) drohen hohe Geldbussen
  • Ohne Nachbesserung bei Emissionen sind bis zu 160‘000 Arbeitsplätze in Gefahr
  • Selbst mit schnellen Anpassungsstrategien werden die Hersteller maximal 30% der Vorgaben erfüllen – und immer noch 60‘000 Arbeitsplätze gefährdet sein
  • Der Teufelskreis für die Automobilhersteller: Geldbussen führen zu höheren Produktionskosten, deren Weitergabe an Kunden zu sinkendem Absatz

Wallisellen, 29. Mai 2019 – Das grösste Problem der europäischen Autobauer ist aktuell weder der Brexit noch die drohenden Automobilzölle in den USA, sondern die im April verabschiedeten neuen Vorschriften der Europäischen Union (EU) zur Begrenzung der Kohlendioxid-Emissionen (CO2). Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes.

«Dunkle CO2 Wolken zeigen sich am Horizont: Die europäischen Automobilhersteller müssen gemäss der Richtlinie die CO2-Emissionen innerhalb von nur zwei Jahren um -20% senken. Zum Vergleich: In den letzten 10 Jahren waren es -25%. Das ist mehr als sportlich», sagt Ludovic Subran, Chefökonom der Euler Hermes Gruppe und stellvertretender Chefökonom der Allianz. «Hinzu kommen weitere ehrgeizige Ziele, die sie bis 2025 und 2030 erreichen sollen. Das wird ein Wettlauf mit der Zeit, den die Autobauer sehr wahrscheinlich verlieren werden.»

Die neuen Emissionsziele könnten für die Automobilindustrie nach Ansicht der Studie sogar ein katastrophales Szenario auslösen: Aktuell erfüllt kein Hersteller die geforderten Abgasnormen.

Wolken am Horizont: Hohe Geldbussen in Sicht –  bis zu 160‘000 Arbeitsplätze in Gefahr

Für die Autohersteller sind die neuen Richtlinien gleich in dreierlei Hinsicht eine riesige Herausforderung: industriell, finanziell und kommerziell. Die Vorschriften zwingen die Hersteller zu schnellen und drastischen Anpassungen des Antriebsstrangmixes zugunsten von alternativ angetriebenen Fahrzeugen, insbesondere Elektrofahrzeugen. Zum anderen drohen bei Nichterreichen hohe Geldbussen: Wenn man von den Zahlen von 2018 ausgeht, würden sich diese auf 30 Milliarden EUR summieren. Das entspricht der Hälfte der gesamten Nettogewinne der Automobilhersteller.

Die Produktionskosten könnten bis Ende 2020 um bis zu +7% und bis 2025 um bis zu +15% steigen. Die vollständige Weitergabe dieser Mehrkosten an die Kunden würde zu Einbussen bei den Autoverkäufen um -9% bis Ende 2020 und um -18% bis 2025 führen – mit tiefgreifenden Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsplätze.

«Wenn man also vom schlimmsten Fall und den aktuell erreichten Emissionswerten der europäischen Autobauer ausgeht, würde dies sowohl das französische als auch das deutsche BIP-Wachstum in den Jahren 2019 und 2020 mit -0,1 Prozentpunkten belasten. Das würde etwa 160‘000 Arbeitsplätze gefährden», sagt Subran. «Darüber hinaus würde ein zunehmender Wettbewerb der Elektro-Hersteller den Abwärtsdruck auf Umsätze und Margen erhöhen. Die Automobilhersteller werden jedoch ihr Bestes tun, um dieses Worst-Case-Szenario zu vermeiden – aber es wird ein Kraftakt, der manchem an die Substanz gehen wird.»

Selbst mit schnellen Anpassungen sind nur etwa 30% machbar – 60‘000 Arbeitsplätze gefährdet

Europäische Autobauer dürften nach Einschätzung der Euler Hermes Experten die vorhandenen finanziellen Puffer aufbrauchen, gleichzeitig versuchen weiter Kosten zu senken und "Superkredite" zu nutzen. Auch Partnerschaftsverträge und sogenannte "Pools" sowie eine weitere Konsolidierung in Markt werden wahrscheinliche Folgen sein.

Es ist eine fast sichere Gewissheit, dass die Automobilhersteller die geforderten CO2-Ziele nicht einhalten werden können. Selbst mit einer schnellen Anpassungsstrategie werden sie voraussichtlich maximal ein Drittel der Ziele erreichen. Euler Hermes erwartet daher bis Ende 2020 einen Anstieg der durchschnittlichen Pkw-Preise um etwa +2,6 % und in der Folge davon, einen Rückgang der Neuzulassungen um -3,1%. Das dürfte zu einem Minus von 2,9 Mrd. EUR bei den verkauften Fahrzeugen führen und dadurch etwa 60‘000 Arbeitsplätze gefährden. Doch nicht nur in der Europäischen Union, auch in der Schweiz würden diese Auswirkungen spürbar. «Unter dem Rückgang der Produktionszahlen dürfte auch die Schweizer Zulieferindustrie leiden. Diese setzt rund 12,3 Mrd. Schweizer Franken um und beschäftigt in der Schweiz 34‘000 Mitarbeitende. Sie ist zurzeit noch stark auf die konventionellen Antriebssysteme ausgelegt.», so Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz.

Angesichts der Grösse der europäischen Automobilindustrie, auf die 13% der Produktion im verarbeitenden Gewerbe und 13,3 Mio. direkte und indirekte Arbeitsplätze entfallen, werden vermutlich Verbraucher und Regierung gefordert sein sowie Massnahmen ergriffen werden, um das Szenario abzumildern.

 

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