Euler Hermes Insolvenzstudie: In vier von fünf Ländern für 2020 mehr Konkurse erwartet

9. Januar 2020
  • Weltweite Insolvenzen steigen 2020 um weitere 6%. Chile mit stärkstem Anstieg
  • Schwächelnde Weltwirtschaft, politische Unsicherheiten und Handelskonflikte als Ursache
  • Westeuropa +3%: Schweiz wie schon im Vorjahr mit moderatem Zuwachs (+1%), Frankreich stellt sich gegen den weltweiten Trend (0%)
  • In vier von fünf Ländern weltweit nehmen Insolvenzen zu, Brasilien ist die grosse Ausnahme (-3%), USA und Kanada dagegen erstmals seit vielen Jahren wieder mit Anstieg (+4% und +5%) sowohl 2019 als auch 2020

Wallisellen, 9. Januar 2020 – Neues Jahr, neues Glück? Was die Entwicklung von Exportrisiken und weltweiten Insolvenzen angeht, ist auch 2020 keine Trendwende in Sicht. Firmenkonkurse sind weltweit weiter auf dem Vormarsch – zum vierten Mal in Folge. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes. Die Experten der Allianztochter gehen davon aus, dass 2020 weltweit rund 6% mehr Insolvenzen mit sich bringt.

Das bedeutet zwar eine etwas langsamere Zunahme als noch 2019 (+9%), allerdings dafür praktisch überall auf der Welt. Denn: Voraussichtlich steigen 2020 in vier von fünf Ländern die Konkursfälle an. Im Vorjahr war der Zuwachs zwar insgesamt höher, aber dafür waren im vergangenen Jahr nur zwei von drei Ländern von steigenden Insolvenzen betroffen. Exportrisiken lauern 2020 praktisch überall– einen ‘sicheren Hafen’ gibt es kaum noch.

Ursachenforschung: Anhaltende Konjunkturschwäche, politische und soziale Unsicherheiten
Die Ursachen für den anhaltenden Anstieg der weltweiten Insolvenzen sieht Euler Hermes dabei in der anhaltenden Konjunkturschwäche, insbesondere in den Industriestaaten und dem produzierenden Gewerbe. Die schwache Nachfrage hat die Lagerbestände vielerorts steigen lassen und zu Überkapazitäten geführt, vor allem in der Automobilindustrie. Auch die weiter nachhallenden Folgen aus Handelskonflikten, politischen Unsicherheiten und sozialen Spannungen werden die Unternehmen 2020 in Atem halten.

Verbreitet mehr Insolvenzen in Europa – moderater Zuwachs in der Schweiz, Frankreich plötzlich Klassenbester
Auch in Westeuropa steigen die Insolvenzen 2020 um voraussichtlich 3% an (2019: 2%). Viele Länder wachsen in Zeiten der Konjunkturflaute langsamer, als es notwendig wäre, um die Insolvenzen stabil zu halten. «In Westeuropa hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass diese Schwelle bei einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von rund 1,7% liegt», sagt Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz. «In der Schweiz bleibt der Zuwachs mit 1% wie schon im Jahr zuvor, zwar moderat – die globale Entwicklung der Insolvenzen trifft unsere Exportwirtschaft aber massgeblich».
In der Schweiz ist zudem ein demographischer Effekt zu berücksichtigen: Im Jahr 2019 wurden so viele neue Firmen gegründet wie nie zuvor, und allein aus der steigenden Anzahl der eingetragenen Unternehmen resultiert eine höhere Zahl von Konkursen.

Zum Insolvenzanstieg in Europa tragen insbesondere Dänemark (+6%), Spanien, die Niederlande und Irland (jeweils +5%) sowie Italien (+4%) bei. Aber auch Grossbritannien sieht im Brexit-Sog einem erneuten Zuwachs von rund 3% bei den Pleiten entgegen. Rühmliche Ausnahme in Europa sind ausgerechnet die französischen Nachbarn, für die die Ökonomen 2020 nach langen wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten eine Stagnation der Insolvenzen prognostizieren.

«Es gibt drei Gründe, warum Frankreich plötzlich mit vorne liegt», sagt Ludovic Subran, Chefökonomvon Allianz und Euler Hermes. «Zum einen hat das Land wichtige ökonomische Entscheidungen getroffen. Zum anderen zahlt sich das rund 17 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket mit Steuererleichterungen für Rentner aus, das Präsident Macron im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht hat, um die ‘Gelbwesten’ wieder von der Strasse zu holen. Dies hat den privaten Konsum angekurbelt. Zu guter Letzt profitiert die französische Wirtschaft in Zeiten von Handelskonflikten und schwächelndem Welthandel auch von einer weitaus geringeren Exportabhängigkeit als beispielsweise die Schweiz oder Deutschland.»

China weiterhin im Keller – aber rote Laterne geht erstmals an Chile mit 21% Zuwachs
China reicht 2020 die rote Laterne nach drei Jahren an Chile weiter. Für die Südamerikaner dürften im laufenden Jahr Insolvenzen um 21% zunehmen. Nach Chile, der Slowakei (+12%) und Indien (+11%) ist China allerdings auch weiterhin am ganz unteren Ende des Rankings zu finden. Im Reich der Mitte erwarten die Ökonomen für 2020 eine weitere Pleitewelle und einen Anstieg der Fallzahlen um erneut 10% (nach einem bereits massiven Anstieg um rund 20% im vergangenen Jahr), ebenso wie in Singapur (+10%) und Hongkong (+9%).

Brasilien schafft nach 8 Jahren Trendwende, USA und Kanada dagegen wieder mit Zuwachs
Auch weltweit ist der Klassenprimus bei der Insolvenzentwicklung durchaus überraschend: Für Brasilien erwartet Euler Hermes gegen den weltweiten Trend voraussichtlich 3% weniger Konkurse als 2019, gleichauf mit Ungarn (-3%). Auch Griechenland und Litauen (jeweils -2%) sowie Neuseeland, Polen, Norwegen, Luxemburg und eben Frankreich (alle 0%) können sich der allgemeinen Entwicklung entziehen.

Die USA und Kanada verzeichnen 2019 und auch 2020 hingegen eine Trendwende ins Negative. Seit 2010 waren die Insolvenzen in den USA jedes Jahr rückläufig. Erst 2019 und 2020 kommt es hier mit +3% und +4% wieder zu einem Zuwachs. In Kanada zeigten Insolvenzen sogar bereits seit 2002 einen stetigen Abwärtstrend vor dem nun erwarteten Anstieg um jeweils 5% im Jahr 2019 und 2020.

Grossinsolvenzen: Umsätze und damit Schäden für die Lieferkette steigen drastisch an
Beunruhigend ist weiter die Entwicklung bei den Grossinsolvenzen bei Unternehmen mit einem Umsatz oberhalb der 50-Millionen-Euro-Grenze. In den ersten neun Monaten 2019 sind diese weltweit zwar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (248) nur um einen Fall auf 249 gestiegen. Allerdings sind die Umsätze der insolventen Grossunternehmen auf über 145 Milliarden Euro (Mrd. EUR) geklettert (106 Mrd. EUR). Damit liegen diese mehr als 39 Mrd. EUR und rund 38% höher als noch im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Der Dominoeffekt bei Grossinsolvenzen auf die Lieferkette ist meist sehr gross. Je höher die Umsätze der Pleitekandidaten, desto höher die Schäden bei den einzelnen Lieferanten. Grosse Namen allein bieten auch 2020 keine Sicherheit.

 

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