Mit den Experten von White & Case
10 Fragen, 10 Antworten: Was ist das StaRUG und wie funktioniert es?
1. VERMEIDUNG EINES INSOLVENZVERFAHRENS: WAS IST DAS „STARUG“?
Hinter dem Kürzel „StaRUG“ steckt das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen vom 22. Dezember 2020. Das Gesetz ist zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten und setzt die Europäische Restrukturierungs-Richtlinie in deutsches Recht um. Im deutschen Sanierungsrecht fehlten bislang spezielle Regelungen für die Durchsetzung und Umsetzung von Sanierungen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens. Diese Lücke schließt nun das StaRUG.
Das StaRUG gibt Unternehmen in der Krise verschiedene Instrumente zur Unterstützung der Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens in die Hand. Ziel ist die Durchsetzung und Umsetzung eines Sanierungskonzepts des Schuldners und damit letztlich die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens. Das „Herzstück“ der Restrukturierung nach dem StaRUG ist der Restrukturierungsplan des Schuldners. Dieser fasst sämtliche Maßnahmen und Beiträge, die zum Erreichen des Sanierungsziels erforderlich sind, zusammen.
2. WELCHE REGELUNGEN KANN DER RESTRUKTURIERUNGSPLAN TREFFEN?
Der Restrukturierungsplan kann ganz unterschiedliche Rechtsverhältnisse gestalten, vor allem Eingriffe in die Verbindlichkeiten des Schuldners und etwaige für diese bestellten Sicherheiten zum Zwecke der Entschuldung des Unternehmens. Die Forderungen der Gläubiger können z.B. gekürzt, gestundet oder mit einem Nachrang versehen werden. Der Schuldgrund spielt dabei keine Rolle, d.h. es können die Forderung von Banken und sonstige Finanzgläubigern (etwa Anlei-hegläubigern oder Gläubigern von Schuldscheindarlehen) einbezogen werden ebenso wie Forde-rungen aus Lieferung und Leistung. In den Restrukturierungsplan können aber auch Regelungen zur Zusage von neuen Finanzierungen und deren Besicherung aufgenommen werden.
Werden die Anteilseigner in den Restrukturierungsplan einbezogen, kann auch in deren Anteilsrechte eingegriffen werden. Gläubiger können z.B. ihre Forderungen gegen Anteilsrechte eintauschen. Durch – notfalls zwangsweise – Übertragungen von Anteilsrechten kann zudem auch der Zusammenschluss des Unternehmens mit einem Wettbewerber oder der Eintritt eines Finanzinvestors bewerkstelligt werden.
3. KANN DER RESTRUKTURIERUNGSPLAN AUCH FORDERUNGEN VON ARBEITNEHMERN EINBEZIEHEN ODER PERSONALMASSNAHMEN UNTERSTÜTZEN?
Nein. Eingriffe in Arbeitnehmerforderungen sind nur im Insolvenzverfahren möglich. Das gilt auch für Pensionsverbindlichkeiten. Auch die im Insolvenzverfahren geltenden arbeitsrechtlichen Erleichterungen, z.B. bei Kündigungen, gelten nicht für Sanierungen nach dem StaRUG.
4. KÖNNEN AUCH LAUFENDE VERTRÄGE, Z.B. MIET- ODER LIEFERANTENVERTRÄGE, ANGEPASST ODER BEENDET WERDEN?
Nein. Solche Eingriffe in bestehende Verträge sind nur im Insolvenzverfahren möglich. Erfordert die Sanierung z.B. ein Ausdünnen des Filialnetzes durch Beendigung von bestimmten langfristigen Mietverträgen, so können Lösungen nur einvernehmlich mit den Vermietern vereinbart werden.
5. WIE LÄUFT EINE RESTRUKTURIERUNG NACH DEM STARUG AB?
Restrukturierung in Eigenregie
Der Schuldner setzt die Restrukturierung nach dem StaRUG in Eigenregie um. Das Management initiiert die Restrukturierung nach dem StaRUG und lenkt den Prozess. In einigen Fällen wird das Management des Unternehmens auch aus Gründen der Vermeidung einer Haftung der amtieren-den Geschäftsführer oder Vorstände um die Person eines Insolvenzspezialisten ergänzt (sog. Chief Restructuring Officer, kurz: „CRO“, oder Generalbevollmächtigter).
Restrukturierungsplan als „Herzstück“
Das „Herzstück“ der Restrukturierung nach dem StaRUG ist der Restrukturierungsplan des Schuldners, der sämtliche Maßnahmen und Beiträge, die zum Erreichen des Sanierungsziels erforderlich sind, zusammenfasst. Die Basis des Restrukturierungsplans ist das Sanierungskonzept.
Auswahl der einzubeziehenden Gläubiger und Anteilseigner
Anders als das Insolvenzverfahren bezieht der Restrukturierungsplan nicht zwingend sämtliche Gläubiger ein. Der Schuldner kann vielmehr eine Auswahl treffen und nur bestimmte Gläubigergruppen in den Restrukturierungsplan einbeziehen. Er kann sich z.B. auf die Finanzgläubiger konzentrieren und Lieferanten außenvorlassen. Der Schuldner kann auch die Anteilseigner in den Restrukturierungsplan einbeziehen.
Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens
Bevor die betroffenen Gläubiger über den Restrukturierungsplan abstimmen, wird der Schuldner versuchen, sie von seinem Sanierungskonzept zu überzeugen, und ggf. Anpassungen an dem Sanierungskonzept und dem Restrukturierungsplan vornehmen. Durch einen Griff in den Instrumentenkasten des StaRUG kann der Schuldner seine erfolgversprechenden Sanierungschancen sichern. So kann er insbesondere:
- durch eine Stabilisierungsanordnung des Restrukturierungsgerichts einen Vollstreckungs- und Verwertungsstopp gegen bestimmte oder alle Gläubiger erwirken, wenn dies zur Wahrung der Sanierungschancen erforderlich ist; oder
- durch die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans dessen Wirkungen auch auf die Gläubiger erstrecken, die dem Restrukturierungsplan nicht zugestimmt haben.
Weitere Instrumente sind (i) die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens und (ii) die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (sog. Vorprüfung).
Planabstimmung und -bestätigung
Abschließend legt der Schuldner den planbetroffenen Gläubigern und Anteilseignern den Restrukturierungsplan zur Abstimmung vor. Der Vorgang der Abstimmung kann auch in die Hände des Restrukturierungsgerichts oder des Restrukturierungsbeauftragten gelegt werden. Haben dem Restrukturierungsplan nicht sämtliche Gläubiger und Anteilseigner zugestimmt (was der Regelfall sein dürfte), bedarf es noch der Bestätigung des Plans durch das Restrukturierungsgericht, damit er gegenüber allen Planbetroffenen Wirkung entfaltet.
„Nur ein maßgeschneiderter Prozess kann die Sanierung nach dem StaRUG zum Erfolg führen. Der Griff in den Instrumentenkasten des Restrukturierungsrahmens muss zielgerichtet erfolgen. So viel freie Verhandlung mit den Stakeholdern wie möglich, aber auch so viel Zwang und gerichtliche Involvierung wie nötig. Das richtige Maß zu finden, dafür braucht es Erfahrung“, so fasst Undritz die Anforderungen an den Sanierungsprozess nach dem StaRUG zusammen.
6. MÜSSEN SÄMTLICHE GLÄUBIGER VON DEM SANIERUNGSKONZEPT ÜBERZEUGT WERDEN?
Die planbetroffenen Gläubiger stimmen über den Restrukturierungsplan ab. Dafür werden sie nach sachgerechten Kriterien in Gruppen eingeteilt. Für die gerichtliche Bestätigung des Plans müssen in jeder Gläubigergruppe wenigstens 75% der Gläubiger ihre Zustimmung erteilt haben. Die Minderheit ist dann überstimmt und bei gerichtlicher Bestätigung des Restrukturierungsplans trotz Ablehnung an ihn gebunden (sog. Cram-down).
Kann die Zustimmung einer Gläubigergruppe nicht erreicht werden, weil mehr als 25% der Betroffenen den Plan ablehnen, kann der Restrukturierungsplan trotzdem vom Restrukturierungsgericht bestätigt werden, wenn die Voraussetzungen der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung nach dem StaRUG vorliegen (sog. Cross-class Cram-down). Das setzt insbesondere voraus, dass die Sanierung auf dem vorgeschlagenen Weg die bestmögliche Gläubigerbefriedigung verspricht und der Gesellschafter ebenfalls seinen Beitrag leistet. Für das Gelingen der Restrukturierung ist es aber richtig und wichtig, dass auch dissentierende Gläubigergruppen überstimmt werden können.
„Die erforderlichen 75% Zustimmung zum Restrukturierungsplan in den gebildeten Gruppen ist eine hohe Hürde. Das schützt die Gläubiger. Der Schuldner muss eine große Mehrheit der Gläubiger von seinem Sanierungskonzept überzeugen. In der Praxis wird der Schuldner aber auch versuchen, die Spielräume bei der Gruppenbildung strategisch auszunutzen“, so die Einschätzung von Knof.
7. WELCHE HAFTUNGSRISIKEN BESTEHEN FÜR DAS MANAGEMENT?
Die Sanierung eines Unternehmens in der Krise gehört ohne Zweifel zu einer der größten Herausforderungen für Geschäftsführer bzw. Vorstände. Zu der komplexen Aufgabe der Entwicklung eines überzeugenden Sanierungskonzepts und seine Verhandlung mit den beteiligten Gläubigern, Gesellschaftern und Arbeitnehmern etc. kommt noch ein spezielles und enges Pflichtenkorsett für die Geschäftsführer oder Vorstände mit erhöhten Haftungsrisiken hinzu.
Mit Anzeige der Restrukturierungssache bei dem Restrukturierungsgericht haben diese die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren. Sie haften insbesondere nach Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung für masseverkürzende Zahlungen und Schäden der Gläubiger, die infolge einer verspäteten Insolvenzantragsstellung entstehen.
Auch hier fördert das StaRUG aussichtsreiche Sanierungsbemühungen. So ist die haftungsbewehrte Insolvenzantragspflicht nach Anzeige der Restrukturierungssache bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht ausgesetzt. An ihre Stelle tritt eine Anzeige des Eintritts einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gegenüber dem Restrukturierungsgericht.
Das Gericht entscheidet dann, ob der mit dem StaRUG eingeschlagene Weg dem Gläubigerinteresse entspricht oder ob der Sanierungsversuch in ein Insolvenzverfahren übergeleitet werden muss. Auch die Zahlungen im Rahmen der Betriebsfortführung, die für die Fortführung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und die Vorbereitung und Umsetzung des angezeigten Restrukturierungsvorhabens erforderlich sind, sind im Hinblick auf ein eventuell bestehendes Zahlungsverbot privilegiert.
8. WELCHEN UNTERNEHMEN STEHT EINE SANIERUNG NACH DEM STARUG OFFEN?
Allen Unternehmen sämtlicher Branchen stehen die neuen Sanierungsinstrumente nach dem StaRUG offen (mit Ausnahme von Banken und Versicherungen). Sogar natürliche Personen, die unternehmerisch tätig sind, können sich mithilfe des StaRUG sanieren und so einer drohenden Privatinsolvenz entgehen.
Voraussetzung ist, dass das Unternehmen noch nicht akut zahlungsunfähig oder überschuldet ist (also nicht gezwungen ist, einen Insolvenzantrags zu stellen). Allerdings muss eine Zahlungsunfähigkeit drohen. Eine Zahlungsunfähigkeit droht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Zahlungsunfähigkeit in den nächsten 24 Monaten eintreten wird, wenn nicht geeignete Sanierungsschritte eingeleitet werden. In einem der ersten Praxisfälle hat sich gezeigt, dass diese Eingangshürde ernst zu nehmen ist. Der bloße Hinweis auf die Endfälligkeit eines Kredits oder einer Anleihe innerhalb der nächsten 24 Monate ist nicht hinreichend, um die drohende Zahlungsunfähigkeit begründen zu können.
„Der Schuldner muss dem Restrukturierungsgericht auch darlegen können, warum mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mit einer Verlängerung der Laufzeit der Kreditverträge oder der Refinanzierung einer Anleihe am Markt gerechnet werden kann“, fasst Knof seine ersten praktischen Erfahrungen mit der Eingangsschwelle zusammen.
9. WIE LANGE DAUERT EINE RESTRUKTURIERUNG NACH DEM STARUG?
Die für eine Restrukturierung unter Einsatz der Instrumente des StaRUG erforderliche Zeit hängt stets von der Größe des Unternehmens und der Reichweite des Restrukturierungsplans ab. Nach den Vorstellungen des Gesetzes sollen zwischen der Anzeige der Restrukturierungssache und der Bestätigung des Restrukturierungsplans i.d.R. nicht mehr als sechs Monate liegen. In Ausnahmen kann der Schuldner die Wirkung der Anzeige einmalig um weitere sechs Monate verlängern. Die ersten Praxisfälle haben gezeigt, dass Restrukturierungspläne, die im Wesentlichen den Zweck dienen, die „Störung“ der Sanierung durch eine Minderheit der Gläubiger oder durch Anteilseigner zu überwinden, deutlich schneller umgesetzt werden können. Hier sind auch deutlich kürzere Zeiträume von vier bis sechs Wochen denkbar.
Nicht übersehen werden darf zudem, dass die Restrukturierung auch nach den Vorstellungen des Gesetzes nicht erst mit der Anzeige der Restrukturierungssache nach dem StaRUG bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht beginnt.
Vielmehr liegt im Idealfall bei der Anzeige der Restrukturierungssache der Restrukturierungsplan im Entwurf bereits vor. Wenn die Verhandlungen bereits weit vorangeschritten sind und der „Störer“ bereits identifiziert ist, drohen keine Überraschungen im weiteren Verlauf.
10. WELCHE ROLLE SPIELT EIN RESTRUKTURIERUNGSBEAUFTRAGTER IN DEM PROZESS?
Unter bestimmten Voraussetzungen bestellt das Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsbeauftragten, um die Einhaltung der Vorgaben des StaRUG sicherzustellen. Dieser unterstützt das Restrukturierungsgericht und überwacht die Wahrung der Interessen aller Gläubiger. Die Bestellung ist in vielen Konstellationen keinesfalls zwingend. Insbesondere der Schuldner wird versuchen, dass kein Restrukturierungsbeauftragter bestellt wird, wenn er möglichst zügig in den denkbar kürzesten Fristen zur Bestätigung des Restrukturierungsplans gelangen will.
Die Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsbeauftragten hängen von den Umständen seiner Bestellung im Einzelfall ab und sind unterschiedlich umfangreich. In jedem Fall bleibt aber der Schuldner alleine verfügungsbefugt und handelt nach außen für das Unternehmen. Der Restrukturierungsbeauftragte ist neutral und unterstützt das Restrukturierungsgericht.
Von dem Restrukturierungsbeauftragten zu unterscheiden ist noch die Rolle des Sanierungsmoderators, der ebenfalls im StaRUG vorgesehen ist. Der Sanierungsmoderator soll in einem früheren Stadium des Sanierungsversuchs die Verhandlungen der unterschiedlichen Beteiligten als neutraler Dritter unterstützen.
Hinter dem Kürzel „StaRUG“ steckt das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen vom 22. Dezember 2020. Das Gesetz ist zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten und setzt die Europäische Restrukturierungs-Richtlinie in deutsches Recht um. Im deutschen Sanierungsrecht fehlten bislang spezielle Regelungen für die Durchsetzung und Umsetzung von Sanierungen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens. Diese Lücke schließt nun das StaRUG.
Das StaRUG gibt Unternehmen in der Krise verschiedene Instrumente zur Unterstützung der Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens in die Hand. Ziel ist die Durchsetzung und Umsetzung eines Sanierungskonzepts des Schuldners und damit letztlich die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens. Das „Herzstück“ der Restrukturierung nach dem StaRUG ist der Restrukturierungsplan des Schuldners. Dieser fasst sämtliche Maßnahmen und Beiträge, die zum Erreichen des Sanierungsziels erforderlich sind, zusammen.
2. WELCHE REGELUNGEN KANN DER RESTRUKTURIERUNGSPLAN TREFFEN?
Der Restrukturierungsplan kann ganz unterschiedliche Rechtsverhältnisse gestalten, vor allem Eingriffe in die Verbindlichkeiten des Schuldners und etwaige für diese bestellten Sicherheiten zum Zwecke der Entschuldung des Unternehmens. Die Forderungen der Gläubiger können z.B. gekürzt, gestundet oder mit einem Nachrang versehen werden. Der Schuldgrund spielt dabei keine Rolle, d.h. es können die Forderung von Banken und sonstige Finanzgläubigern (etwa Anlei-hegläubigern oder Gläubigern von Schuldscheindarlehen) einbezogen werden ebenso wie Forde-rungen aus Lieferung und Leistung. In den Restrukturierungsplan können aber auch Regelungen zur Zusage von neuen Finanzierungen und deren Besicherung aufgenommen werden.
Werden die Anteilseigner in den Restrukturierungsplan einbezogen, kann auch in deren Anteilsrechte eingegriffen werden. Gläubiger können z.B. ihre Forderungen gegen Anteilsrechte eintauschen. Durch – notfalls zwangsweise – Übertragungen von Anteilsrechten kann zudem auch der Zusammenschluss des Unternehmens mit einem Wettbewerber oder der Eintritt eines Finanzinvestors bewerkstelligt werden.
3. KANN DER RESTRUKTURIERUNGSPLAN AUCH FORDERUNGEN VON ARBEITNEHMERN EINBEZIEHEN ODER PERSONALMASSNAHMEN UNTERSTÜTZEN?
Nein. Eingriffe in Arbeitnehmerforderungen sind nur im Insolvenzverfahren möglich. Das gilt auch für Pensionsverbindlichkeiten. Auch die im Insolvenzverfahren geltenden arbeitsrechtlichen Erleichterungen, z.B. bei Kündigungen, gelten nicht für Sanierungen nach dem StaRUG.
4. KÖNNEN AUCH LAUFENDE VERTRÄGE, Z.B. MIET- ODER LIEFERANTENVERTRÄGE, ANGEPASST ODER BEENDET WERDEN?
Nein. Solche Eingriffe in bestehende Verträge sind nur im Insolvenzverfahren möglich. Erfordert die Sanierung z.B. ein Ausdünnen des Filialnetzes durch Beendigung von bestimmten langfristigen Mietverträgen, so können Lösungen nur einvernehmlich mit den Vermietern vereinbart werden.
5. WIE LÄUFT EINE RESTRUKTURIERUNG NACH DEM STARUG AB?
Restrukturierung in Eigenregie
Der Schuldner setzt die Restrukturierung nach dem StaRUG in Eigenregie um. Das Management initiiert die Restrukturierung nach dem StaRUG und lenkt den Prozess. In einigen Fällen wird das Management des Unternehmens auch aus Gründen der Vermeidung einer Haftung der amtieren-den Geschäftsführer oder Vorstände um die Person eines Insolvenzspezialisten ergänzt (sog. Chief Restructuring Officer, kurz: „CRO“, oder Generalbevollmächtigter).
Restrukturierungsplan als „Herzstück“
Das „Herzstück“ der Restrukturierung nach dem StaRUG ist der Restrukturierungsplan des Schuldners, der sämtliche Maßnahmen und Beiträge, die zum Erreichen des Sanierungsziels erforderlich sind, zusammenfasst. Die Basis des Restrukturierungsplans ist das Sanierungskonzept.
Auswahl der einzubeziehenden Gläubiger und Anteilseigner
Anders als das Insolvenzverfahren bezieht der Restrukturierungsplan nicht zwingend sämtliche Gläubiger ein. Der Schuldner kann vielmehr eine Auswahl treffen und nur bestimmte Gläubigergruppen in den Restrukturierungsplan einbeziehen. Er kann sich z.B. auf die Finanzgläubiger konzentrieren und Lieferanten außenvorlassen. Der Schuldner kann auch die Anteilseigner in den Restrukturierungsplan einbeziehen.
Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens
Bevor die betroffenen Gläubiger über den Restrukturierungsplan abstimmen, wird der Schuldner versuchen, sie von seinem Sanierungskonzept zu überzeugen, und ggf. Anpassungen an dem Sanierungskonzept und dem Restrukturierungsplan vornehmen. Durch einen Griff in den Instrumentenkasten des StaRUG kann der Schuldner seine erfolgversprechenden Sanierungschancen sichern. So kann er insbesondere:
- durch eine Stabilisierungsanordnung des Restrukturierungsgerichts einen Vollstreckungs- und Verwertungsstopp gegen bestimmte oder alle Gläubiger erwirken, wenn dies zur Wahrung der Sanierungschancen erforderlich ist; oder
- durch die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans dessen Wirkungen auch auf die Gläubiger erstrecken, die dem Restrukturierungsplan nicht zugestimmt haben.
Weitere Instrumente sind (i) die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens und (ii) die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (sog. Vorprüfung).
Planabstimmung und -bestätigung
Abschließend legt der Schuldner den planbetroffenen Gläubigern und Anteilseignern den Restrukturierungsplan zur Abstimmung vor. Der Vorgang der Abstimmung kann auch in die Hände des Restrukturierungsgerichts oder des Restrukturierungsbeauftragten gelegt werden. Haben dem Restrukturierungsplan nicht sämtliche Gläubiger und Anteilseigner zugestimmt (was der Regelfall sein dürfte), bedarf es noch der Bestätigung des Plans durch das Restrukturierungsgericht, damit er gegenüber allen Planbetroffenen Wirkung entfaltet.
„Nur ein maßgeschneiderter Prozess kann die Sanierung nach dem StaRUG zum Erfolg führen. Der Griff in den Instrumentenkasten des Restrukturierungsrahmens muss zielgerichtet erfolgen. So viel freie Verhandlung mit den Stakeholdern wie möglich, aber auch so viel Zwang und gerichtliche Involvierung wie nötig. Das richtige Maß zu finden, dafür braucht es Erfahrung“, so fasst Undritz die Anforderungen an den Sanierungsprozess nach dem StaRUG zusammen.
6. MÜSSEN SÄMTLICHE GLÄUBIGER VON DEM SANIERUNGSKONZEPT ÜBERZEUGT WERDEN?
Die planbetroffenen Gläubiger stimmen über den Restrukturierungsplan ab. Dafür werden sie nach sachgerechten Kriterien in Gruppen eingeteilt. Für die gerichtliche Bestätigung des Plans müssen in jeder Gläubigergruppe wenigstens 75% der Gläubiger ihre Zustimmung erteilt haben. Die Minderheit ist dann überstimmt und bei gerichtlicher Bestätigung des Restrukturierungsplans trotz Ablehnung an ihn gebunden (sog. Cram-down).
Kann die Zustimmung einer Gläubigergruppe nicht erreicht werden, weil mehr als 25% der Betroffenen den Plan ablehnen, kann der Restrukturierungsplan trotzdem vom Restrukturierungsgericht bestätigt werden, wenn die Voraussetzungen der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung nach dem StaRUG vorliegen (sog. Cross-class Cram-down). Das setzt insbesondere voraus, dass die Sanierung auf dem vorgeschlagenen Weg die bestmögliche Gläubigerbefriedigung verspricht und der Gesellschafter ebenfalls seinen Beitrag leistet. Für das Gelingen der Restrukturierung ist es aber richtig und wichtig, dass auch dissentierende Gläubigergruppen überstimmt werden können.
„Die erforderlichen 75% Zustimmung zum Restrukturierungsplan in den gebildeten Gruppen ist eine hohe Hürde. Das schützt die Gläubiger. Der Schuldner muss eine große Mehrheit der Gläubiger von seinem Sanierungskonzept überzeugen. In der Praxis wird der Schuldner aber auch versuchen, die Spielräume bei der Gruppenbildung strategisch auszunutzen“, so die Einschätzung von Knof.
7. WELCHE HAFTUNGSRISIKEN BESTEHEN FÜR DAS MANAGEMENT?
Die Sanierung eines Unternehmens in der Krise gehört ohne Zweifel zu einer der größten Herausforderungen für Geschäftsführer bzw. Vorstände. Zu der komplexen Aufgabe der Entwicklung eines überzeugenden Sanierungskonzepts und seine Verhandlung mit den beteiligten Gläubigern, Gesellschaftern und Arbeitnehmern etc. kommt noch ein spezielles und enges Pflichtenkorsett für die Geschäftsführer oder Vorstände mit erhöhten Haftungsrisiken hinzu.
Mit Anzeige der Restrukturierungssache bei dem Restrukturierungsgericht haben diese die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren. Sie haften insbesondere nach Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung für masseverkürzende Zahlungen und Schäden der Gläubiger, die infolge einer verspäteten Insolvenzantragsstellung entstehen.
Auch hier fördert das StaRUG aussichtsreiche Sanierungsbemühungen. So ist die haftungsbewehrte Insolvenzantragspflicht nach Anzeige der Restrukturierungssache bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht ausgesetzt. An ihre Stelle tritt eine Anzeige des Eintritts einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gegenüber dem Restrukturierungsgericht.
Das Gericht entscheidet dann, ob der mit dem StaRUG eingeschlagene Weg dem Gläubigerinteresse entspricht oder ob der Sanierungsversuch in ein Insolvenzverfahren übergeleitet werden muss. Auch die Zahlungen im Rahmen der Betriebsfortführung, die für die Fortführung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und die Vorbereitung und Umsetzung des angezeigten Restrukturierungsvorhabens erforderlich sind, sind im Hinblick auf ein eventuell bestehendes Zahlungsverbot privilegiert.
8. WELCHEN UNTERNEHMEN STEHT EINE SANIERUNG NACH DEM STARUG OFFEN?
Allen Unternehmen sämtlicher Branchen stehen die neuen Sanierungsinstrumente nach dem StaRUG offen (mit Ausnahme von Banken und Versicherungen). Sogar natürliche Personen, die unternehmerisch tätig sind, können sich mithilfe des StaRUG sanieren und so einer drohenden Privatinsolvenz entgehen.
Voraussetzung ist, dass das Unternehmen noch nicht akut zahlungsunfähig oder überschuldet ist (also nicht gezwungen ist, einen Insolvenzantrags zu stellen). Allerdings muss eine Zahlungsunfähigkeit drohen. Eine Zahlungsunfähigkeit droht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Zahlungsunfähigkeit in den nächsten 24 Monaten eintreten wird, wenn nicht geeignete Sanierungsschritte eingeleitet werden. In einem der ersten Praxisfälle hat sich gezeigt, dass diese Eingangshürde ernst zu nehmen ist. Der bloße Hinweis auf die Endfälligkeit eines Kredits oder einer Anleihe innerhalb der nächsten 24 Monate ist nicht hinreichend, um die drohende Zahlungsunfähigkeit begründen zu können.
„Der Schuldner muss dem Restrukturierungsgericht auch darlegen können, warum mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mit einer Verlängerung der Laufzeit der Kreditverträge oder der Refinanzierung einer Anleihe am Markt gerechnet werden kann“, fasst Knof seine ersten praktischen Erfahrungen mit der Eingangsschwelle zusammen.
9. WIE LANGE DAUERT EINE RESTRUKTURIERUNG NACH DEM STARUG?
Die für eine Restrukturierung unter Einsatz der Instrumente des StaRUG erforderliche Zeit hängt stets von der Größe des Unternehmens und der Reichweite des Restrukturierungsplans ab. Nach den Vorstellungen des Gesetzes sollen zwischen der Anzeige der Restrukturierungssache und der Bestätigung des Restrukturierungsplans i.d.R. nicht mehr als sechs Monate liegen. In Ausnahmen kann der Schuldner die Wirkung der Anzeige einmalig um weitere sechs Monate verlängern. Die ersten Praxisfälle haben gezeigt, dass Restrukturierungspläne, die im Wesentlichen den Zweck dienen, die „Störung“ der Sanierung durch eine Minderheit der Gläubiger oder durch Anteilseigner zu überwinden, deutlich schneller umgesetzt werden können. Hier sind auch deutlich kürzere Zeiträume von vier bis sechs Wochen denkbar.
Nicht übersehen werden darf zudem, dass die Restrukturierung auch nach den Vorstellungen des Gesetzes nicht erst mit der Anzeige der Restrukturierungssache nach dem StaRUG bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht beginnt.
Vielmehr liegt im Idealfall bei der Anzeige der Restrukturierungssache der Restrukturierungsplan im Entwurf bereits vor. Wenn die Verhandlungen bereits weit vorangeschritten sind und der „Störer“ bereits identifiziert ist, drohen keine Überraschungen im weiteren Verlauf.
10. WELCHE ROLLE SPIELT EIN RESTRUKTURIERUNGSBEAUFTRAGTER IN DEM PROZESS?
Unter bestimmten Voraussetzungen bestellt das Restrukturierungsgericht einen Restrukturierungsbeauftragten, um die Einhaltung der Vorgaben des StaRUG sicherzustellen. Dieser unterstützt das Restrukturierungsgericht und überwacht die Wahrung der Interessen aller Gläubiger. Die Bestellung ist in vielen Konstellationen keinesfalls zwingend. Insbesondere der Schuldner wird versuchen, dass kein Restrukturierungsbeauftragter bestellt wird, wenn er möglichst zügig in den denkbar kürzesten Fristen zur Bestätigung des Restrukturierungsplans gelangen will.
Die Aufgaben und Befugnisse des Restrukturierungsbeauftragten hängen von den Umständen seiner Bestellung im Einzelfall ab und sind unterschiedlich umfangreich. In jedem Fall bleibt aber der Schuldner alleine verfügungsbefugt und handelt nach außen für das Unternehmen. Der Restrukturierungsbeauftragte ist neutral und unterstützt das Restrukturierungsgericht.
Von dem Restrukturierungsbeauftragten zu unterscheiden ist noch die Rolle des Sanierungsmoderators, der ebenfalls im StaRUG vorgesehen ist. Der Sanierungsmoderator soll in einem früheren Stadium des Sanierungsversuchs die Verhandlungen der unterschiedlichen Beteiligten als neutraler Dritter unterstützen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Allianz Trade Kontext – Ihr Wissensvorsprung
Machen Sie es wie über 35.000 andere Entscheider in Unternehmen und abonnieren Sie unseren Newsletter. Sie erwarten kostenlos und monatlich: